Archiv Felsberg

Der Rhündaer Berg

Der Rhündaer Berg - Neue Forschungsergebnisse aus der Archäologie

Schon seit undenklichen Zeiten wird in unserer Gegend über den Zweck und die Bedeutung der augenfälligen Wallanlagen am Rhündaer Berg spekuliert.

Erste Versuche einer wissenschaftlichen Erforschung fanden schon in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg durch den Kasseler Historiker Dr. Wilhelm Lange statt. Ab den 1960er-Jahren bemühten sich vor allem Hobbyarchäologen wie Rudolf Haarberg, Hermann Fröhlich und Alfred Pflüger die Anlagen und das Umfeld des Berges zu erforschen. Wirklich schlüssige und verlässliche Erkenntnisse, die auch vor der Wissenschaft Bestand hatten, konnten aber nicht gewonnen werden.

Es brauchte also eine umfassende Untersuchung, die mit modernen Methoden, eine Klärung der Fragen herbeiführte.

Mit dem vorläufigen Abschluss, der schon 2006 begonnenen Forschung von Fachwissenschaftlern der Universität Marburg, haben wir nun die Resultate in Form eines hochwertig gedruckten Buches vorliegen.

Der Buchtitel lautet: „Der Rhündaer Berg am Rande der Niederhessischen Senke, Eine prähistorische Höhensiedlung und ihr Umfeld“, Rahden/Westf.  2020

Das Buch wurde von höchster fachwissenschaftlicher Autorität, dem Marburger Archäologen Prof. Andreas Müller-Karpe, herausgegeben.

Es wendet sich aber ausschließlich an fachlich versierte Historiker und Archäologen.

Der „Normalbürger“ dürfte von den hier beschriebenen Zusammenhängen und Darstellungen kaum etwas verstehen, da es nur in „Fachchinesisch“ verfasst wurde.

Dieser Beitrag unternimmt nun den Versuch, in verständlicher Sprache, die wichtigsten Studienergebnisse und Aussagen über die Bedeutung des Berges in vorhistorischer Zeit, der vorrömischen Eisenzeit, darzustellen.

Von welcher Zeit ist hier die Rede?

Die vorrömische Eisenzeit folgt auf die Bronzezeit und umfasst die letzten sieben Jahrhunderte vor Christi Geburt. Dieser Zeitraum wird untergliedert in Hallstattzeit und Latenezeit. Beide Namen gehen zurück auf zeittypische Fundorte die so herausragend waren, dass man sie nicht nur für die Epoche, sondern auch für die Kulturen dieser Zeit in Anwendung brachte.

In Süddeutschland wird das erste Jahrtausend v. Chr. als das Keltische Jahrtausend bezeichnet. Auch am Rhündaer Berg geht man von keltischer Besiedlung aus. Die Germanen/Chatten erreichten Niederhessen erst um Chr. Geburt.

Sorgte der Keltenfürst vom Glauberg für die Erforschung des Rhündaer Berges?

Die Frage mag etwas verwegen klingen, hat aber einen realen Hintergrund. Es war das Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aus dem Jahr 2003 mit dem Titel “Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse. Zur Genese und Entwicklung frühkeltischer Fürstensitze und ihres territorialen Umlandes“, das zu weiteren Forschungen im größeren Umfeld des Glaubergs bei Büdingen führte.

Im Jahre 1996 wurde am Fuße des Glaubergs die lebensgroße Steinfigur (1,86 m) eines Kriegers aus dem 5. Jh. v. Chr. gefunden. Die Fundumstände mit hochwertigen Grabbeigaben und seine bemerkenswerte Krone in Form von Mistelblättern, wiesen ihn als hochstehende Person aus, die zur Bezeichnung „Fürst vom Glauberg“ führten.

Es stellte sich die Frage: “Reichte der Machtbereich des Fürsten vom Glauberg bis zum Rhündaer Berg, oder gab es hier sogar auch einen Fürsten“?

Um diese Frage gleich zu beantworten. Es gab auf dem Rhündaer Berg keinen Fürstensitz da die archäologischen Funde keine Belege für eine höherwertige Ausstattung oder aus Fernverbindungen stammende Artefakte erbrachten. Es gab aber so etwas wie einen Häuptling, im Kindergarten werden sie „Bestimmer“ genannt, mit höheren Befugnissen im regionalen Umfeld.

Das Projekt zur Erforschung des Rhündaer Berges und seines Umlandes wurde 2004 bewilligt und mit Ausgrabungen im Frühjahr 2006 begonnen. Im Zuge von 4 Grabungskampagnen waren 7 Arbeitskräfte bis in das Jahr 2007 auf dem Berg tätig.

Es gab noch 2 kleinere Grabungen auf dem Heiligenberg bei Gensungen deren Ergebnisse aber nur am Rande in der Publikation Erwähnung finden.

Im Buch finden sich neben dem Vorwort und der Zusammenfassung des Herausgebers 12 Beiträge von 8 Autoren die ihre Forschungsergebnisse vortragen. Es wird die gesamte Palette des „archäologischen Waffenarsenals“ bedient um ein umfassendes Bild zu erstellen.

Die wichtigsten Kapitel des Inhalts sind:

  • Lage und naturräumliche Charakterisierung des Rhündaer Berges
  • Räumliche Abgrenzung und Gliederung der Gipfelfläche
  • Die Geschichte der Erforschung
  • Die Ringwallanlagen
  • Die Ausgrabungen in den Jahren 2006 – 2009
  • Rekonstruktion der eisenzeitlichen Baubefunde
  • Bodenkundliche Prospektion
  • Archäobotanische Ergebnisse
  • Lumineszenz- und Radiokarbon-Datierungen von Bodenproben
  • Die Besiedlung des Umfeldes

Der Herausgeber behält es sich vor, in der Zusammenfassung die wichtigsten Ergebnisse, aus Sicht des Auftraggebers, vorzutragen.

Der Bau fällt in die ältere Eisenzeit, auch Hallstattzeit genannt und meint die Zeit von 800 -480 vor Christi Geburt. Die untersuchten Baubefunde auf dem Berg zeigen nur eine Bauperiode an. Alle Daten aus den verschiedenen Untersuchungsmethoden verweisen auf die Zeit um das 6. Jh. v. Chr. Offensichtlich wurde die Siedlung nur über eine oder wenige Generationen hin genutzt. Auch die Wallanlagen sind nur dieser Zeitperiode zuzurechnen und wurden später nicht mehr erneuert.

Bei den Grabungen auf dem Gipfelplateau wurden mehrere gleich ausgerichtete Pfostenbauten nachgewiesen. In der Mitte lag ein zweischiffiges Großgebäude von ca. 6 x11 m, flankiert von 2 kleineren einschiffigen Nebengebäuden. Es werden ca. 25 Häuser dieser Bauart vermutet, die eine Einwohnerzahl von 100 bis 300 Personen umfasst haben könnte. Die Bewohner haben sich hauptsächlich mit der Textilherstellung und auch der Eisenverarbeitung beschäftigt. In einem der Gebäude lagerte offenbar ein größerer Getreidevorrat. Ein großes Problem für die Siedlung war die Wasserversorgung, da keine Quellen oder Brunnen im oberen Siedlungsbereich festgestellt werden konnten.

Das vorzeitige Ende der befestigten Siedlung wurde offenbar durch eine Brandkatastrophe ausgelöst. Es kam nach diesem Brand zu keinem Wiederaufbau oder Fortführung der Anlage.

Die Funktion eines regionalen Zentrums übernahm im Anschluss die Siedlung auf dem Heiligenberg, die bis in die Jahre der frühen Latenezeit, das Jahr 400 v. Chr. reichte und eine größere Fläche einnahm.

Es war in dieser Zeit auch nicht üblich befestigte Siedlungen über längere Zeiträume zu bewohnen. Die Orte wurden zwar oft wieder benutzt und erneut aufgebaut, dazwischen lagen aber meist lange Zeiträume. Meist folgten auch neue Siedler aus entfernten Gebieten die oft auch andersartige Kulturen mitbrachten. So kam es zu veränderten Machtkonstellationen und Territorialverhältnissen.

Die Forschungsergebnisse zeichnen nunmehr ein klares Bild von den Verhältnissen aus der Frühzeit unserer Region und beenden auch so manch verwegene Spekulation.

Es ist jedem Bürger der es nun genau wissen will, welche Bedeutung die Anlage hatte und sich nicht scheut den Geheimnissen um die Phosphatablagerungen auf dem Bergplateau nachzugehen, wärmstens empfohlen sich die Lektüre zu besorgen.

Die Universitätsbibliotheken halten das Werk zur Ausleihe bereit. Auch im Stadtarchiv Felsberg wird jedem Interessenten das Buch gern zur Einsichtnahme vorgelegt.

Heinz Körner, Oktober 2021


Dieser Beitrag wurde eingestellt von: Elke Lück
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